Übers Scheitern. Anspruch. Umfallen. Aufstehen. Zerbrechen. Verzweifeln und das einfach weiter machen. Über Kind und Kegel. Job und Familie. Mental Load und eine wundervoll verlockende Melange aus Burnout und Imposter Syndrom.
Gestern war es Mal wieder so weit. Ich war am Ende. Körperlich? Gedanklich? Keine Ahnung. Auf jeden Fall Krämpfe im Unterleib. Woher kommt das? Wieso bin ich nicht mehr so resilient wie noch vor fünf Jahren? Wieso muss heute Montag sein und wieso verachte ich den Februar – es ist Juni… und heute keine Chance zu arbeiten. – zumindest grade eben.
Vielleicht etwas später. Erstmal die Kinder-morgen-routine…
Aber Step by Step und das alles auf Corona schieben möchte ich nicht. Um die Frage von ElHozo auf Twitter zu stellen. Hab ich überhaupt genug gearbeitet um mich so müde zu fühlen?
Arbeit – da sind wir schon beim ersten Zwang – und damit meine ich nicht die Arbeit – damit meine ich dieses konstante – war das genug? Entspricht das dem Anspruch, den ich an mich selbst stelle? Ist das alles nur Fake? Und wieso bekomme ich hier eine Mail von der Lehrerin meiner Tochter, dass sie Logik Probleme hat? – Hmmm. Also Rechner aus. Auf zum Schreibtisch im Nebenzimmer. Wo hattest du denn heute bei den Hausaufgaben gehangen? Keine – wieso? Die Große hat also keine Probleme wahrgenommen. Genügt mir diese Aussage? Ich entscheide später einen Blick in Ihr Aufgabenheft zu werfen. – nur um dann festzustellen, dass ich ihr auch hätte glauben können – Wieder ein fail. Oder? An welchem Punkt sollten wir Eltern/ Väter einfach den Aussagen unserer Kinder vertrauen? Zuhören immer – aber stimmen kann das nicht immer – schon alleine, wenn es um das geraidete Schokoladenfach im Küchenschrank geht.
Die Uhr vibriert. Da war noch was – was war das – ach ja – die Waschmaschine. Treppe runter. 1 Minute noch. Ich hätte Hausschuhe anziehen sollen. Die Fließen sind kalt. – 5 Minuten später (Waschmaschinen hassen uns – das ist eine Grundregel. Die Zeit stimmt nie.)
Meine Füße sind mittlerweile abgefroren. Also Waschmaschine auf. Wäsche raus. Checken was in den Trockner darf. Klappe zu. Anschalten. Rest mitnehmen. Treppe hoch. Aufhängen.
Fünf vor zwei. Hmm – Bio break. Call.
Zwei Stunden, fünf Calls später. Was war das jetzt nochmal alles. Zum Glück habe ich mir Notizen gemacht und den wichtigsten Call mit dem Handy aufgenommen. Also frisch ans Werk. Erstmal die ganzen Calls verarbeiten und die Ergebnisse in Tasks in Asana umwandeln – oder wenn es nur zehn Minuten dauern direkt erledigen.
Leider klappt das natürlich nicht ohne weitere Unterbrechungen. Hier eine kurze Frage in Teams, da noch eine Mail mit hoher Prio. Läuft heute. 17:00 – jetzt bleibt erstmal nicht viel Zeit für viel. Ich räume meinen Schreibtisch etwas auf. Decke den Tisch, gehe in die Tiefgarage und springe ins Auto. Kurzer Zwischenstopp bei Lidl. Die zwei sind hungrig, wenn sie aus der Schule kommen. Bretzel oder ein Würstchencroissant. Obst kommt manchmal in Frage – aber sehr tagesabhängig. Dann zur Schule. Vor der Tür warten – sich nicht über andere Eltern aufregen (Eltern sind die Schlimmsten) – Zwischen Boomern, Karens und Helicoptermoms – sind wir die Jüngsten Eltern – im Altersunterschied zwischen 5 und 10 Jahren zu den anderen Eltern in der Klasse. Dazu kommen Schüler und Eltern aus zig Nationen – manche mit – aus meinen perspektiven kruden Einstellungen bspw. Zum Eurovision Songcontest – der angeblich nicht für Kinder geeignet ist – weshalb eine Aushilfslehrerin direkt angegangen wird.
Egal andere Geschichte. Ich hole die Zwei am Eingang ab – Hochsicherheitstor. Nur mit Zugangskarte – verwundert mich immer wieder – ich bin in Bayern auf die Schule gegangen – auf dem Land – eher unauffällig – in der Schule nichts Neues. Gefahr – Fehlanzeige.
Also raus aus Alcatraz und rein ins Auto – der Weg – 150 Meter – dauert ca. 15 Minuten. Für die Umweltbewussten unter uns. Wir fahren ein Elektroauto. Ich würde gerne Öffentliche Fahren aber damit verlängert sich der Schulweg von 15 auf 80 Minuten – mit drei Umstiegen und einem echt knappen Anschluss…
Das Fahrrad wäre eine Option aber der Kleine kann noch nicht so gut fahren. Ein Lastenrad – war mir zu teuer. Egal – Öffentliche machen keinen Sinn – in Frankfurt – und solange ich noch ins Büro musste – noch viel weniger. Anruf: Kind hat Scharlach – bitte abholen – Klasse mit dem Auto hat es schon 1h zur Kita gebraucht mit Tram und Bus eher so zwei.
Ich schweife schon wieder ab. Also zurück ins Auto. Nach Hause düsen. Die Kinder springen in den Garten – ich an den Herd. Einmal Abendessen für die ganze Bande.
Dazwischen kommt irgendwann meine Frau nach Hause.
Same story – kaum fällt die Wohnungstür ins Schloss, geht sie schon wieder auf – neue Wäsche einschalten. Trockner abholen.
Wir sind ein eingespieltes Team. Leider funktioniert es nicht immer reibungslos. Ich steht Frühs um 6:30 auf. Frühstück, Pausenbrote, Kinder anziehen, Zähne putzen. Bis dahin ist meine Frau auch aufgestanden. Hat geduscht und nimmt die beiden auf Ihrem Weg ins Büro mit in die Schule.
Nachdem die drei Ausgeflogen sind – so gegen 7:30 – Rechner an. Mails von gestern Abend und der Nacht checken. Tag grob durchplanen. Kalender checken, was ist wann. Habe ich heute etwas abzuliefern. – Ihr lacht – man vergisst so etwas schneller als einem lieb ist. Um acht habe ich die Tagesplanung fertig. Dann geht der Rechner meistens nochmal eine Zeit lang in ein PowerNap. Ich setze mich mit dem Handy – bei schönem Wetter auf die Terasse bei Regen auf die Couch – trinke meinen Kaffee und checke mein Telefon (WhatsApp, SPON, NZZ, Twitter, Reddit, Insta, Privater Mailaccount, Konto, Bestellungen, Lieferungen, Portfolio (aktuell lieber nicht)) – Bisschen sharen, der Monolog der LateShow mit Stephen Colbert. Uuuund es ist 9 Uhr. Rechner wieder auf. Daily Kunde 1, Daily Kunde 2, Pitchcall, Work- Session, Workshop, Mittagspause. – aber Stop – kein Fresskoma, das habe ich abgestellt. Sport. Rausgehen. Bisschen Natur und blauen Himmel genießen. Auf jeden Fall bewegen. Erst danach gibt es etwas zu essen. Etwas Gesundes. Noch so ein Grund gegen das Büro. Die Kantine ist meistens weder lecker noch gesund und danach ist eigentlich ein ausgedienter Verdauungsschlaf notwendig. Und das mach ich jetzt auch –
Sport. Es ist nämlich grade 12:30. Vorher aber noch kurz die Spülmaschine anschalten. Also heute 30 Minuten God-workout – Freeletics 3x Nemesis + Warmup und Cooldown. Danach Dusche. Dazwischen klingelt der Postbote. GTA für meine Switch. Mit Alterskontrolle.
Ich habe festgestellt, seit Business Travel wieder hier ist, dass eine Switch der Perfekte Begleiter ist. Dadurch ziehe ich das Smartphone nicht schon beim Checkin leer. Habe neben runtergeladenen Filmen und lauter In-App Purchase (absolut nervtötend) Spielen auch noch was, das man wirklich Spiel nennen kann – und ich kann sogar gegen neue Kontakte im Flugzeug Mario Cart zocken.
Habt Ihr jemals einen besseren Eisbrecher gehabt? #allowmetobreaktheice #Iceman
Aber zurück zum Mittagessen. Nach Workout und Dusche, darfs ein Salat sein. Feta, Tomate, Schalotten Zwiebeln und ein gutes Dressing. Dazu gerne noch ein, zwei Scheiben Brot.
Erzähle ich zu viel – egal – dieser Artikel ist beabsichtigt in diesem Stakkato, Gedanken Format geschrieben. Vielleicht dient er auch nur als Braindump. Was wichtig ist. Ich habe mal eine Zeit lang versucht so etwas in meinen Tages- und Wochenablauf zu integrieren. Braindump. Abends. Alle Gedanken runterschreiben. Es befreit. Aber leider nicht dauerhaft. Mein Notizbuch liegt deshalb immer offen neben mir. Idee. Runterschreiben. Weiter. Zurück zum Thema. – Wie wäre es in einer Welt in der Farben sich mit der Temperatur ändern? – Denkt mal drüber nach…
Abgefahren…
Zurück zu dieser Belastung über die ich eigentlich schreiben wollte. Ich habe in den letzten Jahren viel über Mental Load gelesen und dass, das ja das eigentliche Problem der Gleichberechtigung ist. Ich glaube wir – meine Frau und ich sind da ein paar Schritte weiter.
JA es gibt auch bei uns Fokusthemen. Aber das heißt nicht das der oder die andere das nicht mit macht oder dann Spielsachen auf dem Boden liegen lässt wenn wir sie sehen. Es heißt dass jeder von uns dauerhaft mitdenkt. Der Wäschekorb ist voll? Also mache ich eine Maschine. Es ist Abends, ich bin mit meinen Calls fertig und meine Frau hängt noch vor dem Rechner – dann kümmere ich mich doch schonmal ums Essen. Mental Load ist denke ich dann ein Problem wenn Mann/Frau damit alleine gelassen wird. Aber auch die Wahrheit, dass bei der Menge an Sachen die jeden Tag auf uns einprasseln – Steuer, Rohrbruch, Arzttermin, Waschen, Impftermin, Kindergeburtstag, Autounfall, Bügeln (das einzige was ich echt zu 100% ignoriere), Nebenkosten, Reisekostenabrechnung, Altersvorsorge, Kochen, Putzen, Was machen wir am Wochenende, Urlaubsplanung, Hochzeit, Einkauf – definitiv hier und da etwas hinten runter fällt.
Und das zieht sich übrigens im Job gerade so weiter. Du bist Account Manager, das ist dein Projekt. – Wenn ich das wörtlich nehme, werde ich daran scheitern – bin ich schon – wir lernen ja alle nie aus. Dafür verantwortlich heißt aber nicht sich um alles zu kümmern. Sondern eben auch lernen abzugeben. Lernen sich Hilfe zu holen. Lernen die Kinder auch Mal im Garten rennen zu lassen, ohne dass die Adleraugen jeden Schritt beobachten – und wir waren schon oft im Krankenhaus…
Lernen, dass die anderen eben doch auch Ahnung haben, lernen, dass Kinder mehr können als wir Ihnen manchmal zugestehen.
Und das gleiche sollten wir auch unseren Teams zugestehen. Ich habe mich zumindest immer darüber geärgert und tue das noch heute, wenn ich in Projekten das Gefühl habe nicht für voll genommen zu werden oder dezent ignoriert zu werden. Lasst die Leute arbeiten. Die Allermeisten von Ihnen möchten ein gutes Ergebnis abliefern.
Auch so ein grausames Wort – ein gutes Ergebnis. Da sitze dieser kleine „Ich bin nie zufrieden Man“ auf meiner Schulter und hämmert mit einem Vorschlaghammer an meine Stirn: „That’s not good enough“ – #Imposter. Dieser eigene Anspruch ist natürlich ein Antrieb. An manchen Tagen ist er aber der absolute Killer. Und das ist nicht Mal an den Tagen, die so lala laufen – sondern meistens nach Tagen die echt gut liefen. Dann stehst du am nächsten Tag auf, siehst einen Haufen Wäsche oder eine Unachtsamkeit vom Abend zuvor und denkst dir nur: „Fuck ich bekomm’s ja nicht Mal hin mein Bett zu machen – wie soll ich mir denn heute dafür (bitte größtmögliches unlösbares Problem hier eintragen) eine Lösung überlegen? Und das bis 11 Uhr?
Sich selbst gegenüber ist man immer der schlimmste Kritiker. In einem – sind wir ehrlich – in zwei von zehn Fällen – gewinnt er. Ich bin dann Schachmatt gesetzt, wie betäubt, ohne Antrieb, brauche zwei drei Stunden um diesen BrainTILT zu überwinden um dann langsam bis zum Abend wieder auf 80% Leistung zu kommen. Wenn das passiert, geben mir die Kinder Abends meistens den Rest. Heimkommen, Essen, Zähne, Dusche, Buch, Bett Kind 1, Buch, Bett Kind 2 – dann bleibt mir nur noch Couch oder selbst direkt Bett.
In den anderen 8 Fällen hilft meine Erfahrung und m.E. nach gute Projektmanagement Skills. Du musst heute nicht alleine die Klimakrise lösen. Es genügt wenn du heute dafür sorgst dass die Blumen in deinem Garten nicht alle den Hitzetod sterben indem du sie gießt.
Zerlegt eure Projekte in kleine Tasks – sind diese zu groß in noch kleinere.
Das hilft übrigens auch bei Kindern die lernen oder lesen sollen. „Waaaaas wir sollen „Hallo Mr. Gott hier spricht Anna“ ganz lesen?“ – Geschockte Blicke eines Grundschulkindes. – „Nein schau wir haben zehn Tage Zeit – es sind 10 Kapitel also lesen wir jeden Tag eins.“
Ruhig bleiben – gilt auch für alles. Kinder, Schule, Job, Kunde.
Um auf Corona von Anfang des Artikels zurückzukommen. Ich glaube Corona war für uns eine Rettung. Vorher haben wir einfach nur immer mehr und immer schneller machen wollen. Corona war eine Zwangsbremse. Die sich auch erst langsam wieder löst.
Schneller kann nicht das Ziel sein – es sei denn wir sprechen über Reisen zum Mars oder die Abwendung von CO2 in der Wirtschaft – bewusster, fokussierter, durchdachter – sollte es meiner Ansicht nach sein.
Corona war für mich auch eine Rettung vor manch anderen Anxiety Attacken. Ich bin sehr ungern im Büro. Es ist groß, laut, voll stickiger Luft, voll Menschen, die mich ohne Vorwarnung ansprechen. Und nur 8h am Tag dort zu sitzen, weil ich das tracken muss… – absolut sinnlos.
Jetzt werde ich endlich nach meinem Output bewertet. Das was ich abliefere, das was meine KundInnen dazu sagen oder dem Impact, den es auf wirkliche Zahlen hat. Ist das nicht deutlich angenehmer? Für mich schon. Und danke, dass ich diese Flexibilität jetzt habe. Nach 150 Jahren Rücksicht auf Frühaufsteher, finde ich es nur Fair dass jetzt beide Nachttypen endlich Berücksichtigung finden. Fehlt nur noch, dass die Schule auch erst um 10 beginnt. Kinder sind vorher nicht denkfähig – gibt zig Studien dazu – und mich tötet das auch in Raten. Jeden Morgen ein bisschen mehr – das ist einfach zu früh.
Vor allem im Winter. Damit sind wir dann auch beim Februar. Ekelhafter Monat. Kurz – genauso wie seine Tage. Dunkel – genauso wie meine Stimmung. Zum Glück ist der Winter danach vorbei. Danke OK-Kid.
Steh auf wenn du am Boden bist.
Danke Campino.
>> Braindump End <<
Danke Bernd für diesen Beitrag. Ich stimme dir zu und nicht weil ich dich künstlich loben will, sondern weil es auch meine Gedanken zu 100% sind. Und meine Gedanken sind konfus-kreativ, und in Wellen total energiegeladen. Ich finde es bemerkenswert, dass du das alles mit dem Sahnehäubchen Familie schaffst, wo ich schon mit 2 Katzen mal das Ich raste gleich richtig aus-Tourette am Morgen nicht vermeiden kann, wenn mir als frühs eher träge Person die Zeit fehlt, weil ich den Wecker auf Maximal weiter gestellt habe. Danke für diese Blog-Inspiration. Schon lange hege ich den Gedanken auf meiner noch bearbeitungswürdigen Seite das „Bloggen“ anzufangen, einfach um meine Gedanken kreativ rauslassen zu können.
Ich wünsche dir alles Liebe!
Grüße aus der Imposter-Fraktion, die Bayerns Rostblocktrakt noch ohne Sicherheitssystem überlebt hat.
Christina Lemke