It’s about damn time – wäre eine passende Zusammenfassung des Standes der Digitalisierung deutscher Unternehmen. Aber Halt. Eine solche Verallgemeinerung des Themas der digitalen Transformation würde dem Ganzen auch nicht gerecht werden und wäre unangebracht. In der Realität sind viele Unternehmen bereits sehr weit, während andere das Thema gerade eben für sich entdecken.
Auch gehen hier die Wahrnehmungen extrem auseinander. Während für den einen ein Anfrageformular und ein CRM-gestütztes Arbeiten im Vertrieb bereits eine digitale Revolution darstellt, kann das nächste Unternehmen bereits auf einen vollautomatisierten Marketingprozess zurückgreifen, in dem KI-unterstützte Botschaften an eine Vielzahl von Zielgruppensegmente geschickt werden. Wobei diese beiden Beispiele auch nur einen kleinen Teil der Herausforderungen im Marketing und im Vertrieb darstellen.
Das Thema Digitalisierung ist ein sehr viel größeres und eines, das ein Unternehmen im Idealfall einmal vollständig von der Warenannahme über den Empfang bis zur Berichterstattung des Vorstands vereinnahmt.
Die Herausforderungen
In unseren täglichen Doings – sowohl der Umsetzung von Projekten als auch im digitalen Consulting – also der Entwicklung von Strategien und Konzepten zur Digitalisierung von Prozessen, Geschäftsbereichen oder auch ganzen Unternehmen, können wir sehr schön erkennen, wo die Herausforderungen liegen.
Klammern wir einmal die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aus, zeigen sich diese Digitalisierungsbremsen auch relativ deutlich.
1. Silo-Denken
Die Digitalisierung macht es notwendig, dass Projekte heute Wissen und Kompetenzen der verschiedenen Abteilungen im Unternehmen bündeln. So ist es beispielsweise im Sinne der Automatisierung nicht zielführend, bei der Digitalisierung der Vertriebsmaterialien, z. B. über eine App, zu stoppen. Dieser Prozess muss vollständig neu gedacht werden. Gibt es eventuell Möglichkeiten Angebote automatisch zu erstellen? Oder könnten Bestellungen vom iPad direkt in die Produktion gegeben werden? Gibt es Optionen, die Produktion auf eine individuelle Massenproduktion umzustellen und dadurch einen größeren Teil des Marktes gezielter zu bedienen? Kann der Vertrieb von Standardprodukten eventuell über ein Webtool abgebildet werden und somit der Vertrieb seine Zeit für Großprojekte und ungewöhnliche Anfragen nutzen? Im Sinne der digitalen Transformation darf es hier keine Denkverbote und auch kein Zuständigkeitsgerangel geben.
2. Digitaler Analphabetismus
Leider entspricht es auch der Wahrheit, dass die digitale Transformation immer ein gewisses IT-KnowHow voraussetzt. Dabei geht es keinesfalls darum, dass ab sofort jeder Mitarbeiter einen Elite-Abschluss haben sollte oder selbst programmieren kann. Nein, es geht um ein grundlegendes Verständnis des Vorgehens in digitalen Projekten und der Fallstricke, die hier immer auftreten können: Unvorhergesehene Bugs, „Trial & Error“-Vorgehensweisen, Software – die ihr Lebensende erreicht, sich verändernde Anforderungen im Projektverlauf, verschiedene Hardware – die zusätzliche Software notwendig macht. Und so weiter und so fort. Es ist auch davon auszugehen, dass dieses Grundwissen in Zukunft noch komplexer werden wird. Eine Grundlage dessen, worüber gesprochen wird, sollte jedoch überall vorausgesetzt werden und auch geschult werden.
3. Wasserfall-Arbeiten
Viele unserer Kunden im Mittelstand, aber auch in Konzernen, denken immer noch in alten Projektstrukturen. Was möchte ich damit sagen? Der Wasserfall ist noch nicht ausgetrocknet. Früher war es vor allem im Marketing gang und gäbe, dass ein Projekt zunächst konzipiert wurde und dann von 0 auf 100 vollständig in der Zeit X umgesetzt wird. Am Ende steht ein finales Produkt, das der Kunde zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal sieht und nutzen kann. In einer Zeit, in der Projekte häufig nur ein Team und eine Disziplin benötigt haben, war dies auch kein falscher Ansatz. Heute sehen aber die Anforderungen an Projekte – wie bereits erwähnt – anders aus. Eine Person oder eine Disziplin kann ein Projekt meistens gar nicht mehr vollständig erfassen – geschweige denn überblicken. Multidisziplinäre Teams und ein agiler Entwicklungsansatz, in dem das anfangs erstellte Konzept in eine Vielzahl von Teilschritten zerlegt wird und dann Step-by-Step abgearbeitet wird, sind hier deutlich zielführender und im Sinne einer erfolgreichen digitalen Transformation auch deutlich vielversprechender. Allein ein agiles Vorgehen stellt sicher, dass sich verändernde Anforderungen, als auch kontinuierliches Kundenfeedback, in das Projekt einfließen. Auch im Sinne des Change Managements ist andauerndes Feedback aller beteiligten Personen wichtig, um niemanden zu verlieren und keine Angriffsfläche gegen den digitalen Wandel zu bieten.
4. Läuft doch auch so
Am gefährlichsten und die wohl größte Herausforderung ist damit auch schon angesprochen. Das Change Management oder die Challenge zunächst im Unternehmen für das Thema Digitalisierung zu sensibilisieren. Zu oft hören wir den Satz „Das lief bisher so und es läuft auch gut – wir brauchen das alles nicht.“ Leider kommt die Einsicht meist erst dann, wenn der Schmerz richtig tief sitzt und es eigentlich schon zu spät ist. Die Financial Times schreibt diese Woche über den „I-Phone Moment“ für die deutsche Automobilindustrie. Sollte er kommen, ist es wahrscheinlich schon zu spät. Eine weitere Wahrheit der digitalen Transformation liegt nämlich im Satz „The winner takes it all“. Das Monopol ist ein ureigenes Ergebnis des Internets. CDs wurden zu iTunes und Spotify, Reisebüros und Hotels wandeln sich zu AirBnB und Hotels.com, Google hat so ziemlich jedes Telefonbuch, jeden Atlas und jedes Branchenverzeichnis ersetzt und die Zahl der Briefe ist seit WhatsApp, der E-Mail und sonstiger sozialen Netzwerke auch stark rückläufig. Aktuell stirbt die Druckbranche – sowohl bei Haushaltsdruckern, als auch bei den ehemals stolzen Produzenten wie Heidelberg oder König und Bauer – obwohl gleichzeitig Anbieter wie Flyeralarm oder Onlineprinters von einem Rekord zum nächsten jagen und dabei noch zur großen Gefahr für alle regionalen Werbemittelproduzenten werden. Leider unternimmt die Politik ihr Übriges, indem sie Innovationen wie Uber, AirBnB o.Ä. durch Gesetze blockiert und unsere alte Industrie beschützt. Innovationsfreundlich ist anders – auch wenn es natürlich gute Argumente für diesen Schutz gibt.
5. Die Angst
Angst essen Seele auf. Die Angst einen Fehler zu machen, Geld zu verbrennen oder sich selbst zu kannibalisieren lähmt mitunter alle Beteiligten. Wieso sollten Mercedes oder VW auch Elektroautos mit einer geringen oder keiner Marge verkaufen, wenn der Diesel weiterhin gewaltige Gewinne einfährt? German Angst nennt es die restliche Welt und bisher war diese auch richtig. Sie ist auch immer noch nicht falsch, aber sie verlangsamt uns. So ist es natürlich notwendig, dass wir unser Qualitätsgütesiegel „Made in Germany“ nicht verlieren. Aber bis wir das perfekte System gebaut haben, hat Google es 20 Mal versucht und damit das perfekte System gefunden. Alles in Allem folgt das Digitale dem Gesetz der Rennbahn: jede höhere Geschwindigkeit grenzt zuerst niedrigere Geschwindigkeiten aus, um sie dann zu verdrängen (Paul Virilio – Revolution der Geschwindigkeit). In diesem Sinne: Fail fast, succeed faster. Zwei durchaus polarisierende Punkte noch dazu: Zum einen gibt es die perfekte Lösung nicht und zum anderen schlagen die Vorteile der Digitalisierung exakt in die Bereiche von denen wir in Deutschland erzählen, dass wir spitze sind – die Qualität der Produktion.
Irgendwie auch überall identisch
Aber keine Angst. Sie sind mit diesen Herausforderungen nicht alleine. Es sieht in den meisten Unternehmen ähnlich aus.
Wie finden Sie also den richtigen Ansatzpunkt für die Digitalisierung? Sollten Sie zunächst einmal selbst darüber nachdenken wollen, ist erst einmal die Initiative des Bundes zu nennen. Mittelstand 4.0 die als zentraler Anlaufpunkt für den Austausch, die Befähigung und die Information zum Thema angelegt ist.
Gerne beraten wir Sie aber auch individuell und entwickeln gemeinsam mit Ihnen ein Konzept zur Digitalisierung Ihres Unternehmens, Ihrer Abteilung oder Ihres Prozesses. Sinnvollerweise vom Kleinen ins Große.
– Dies ist ein Repost meines Blogartikels für KWP Communications vom 25.10.18
- Das Angebot steht immer noch 🙂